10 Tipps für die Beratung mit KlientInnen, für die Englisch eine Fremdsprache ist
Viele BeraterInnen arbeiten mit KlientInnen, für die Englisch eine Zweit- oder Drittsprache ist. Die KlientInnen können sich auf Englisch verständigen, aber das Vokabular ist begrenzt. Es fehlen immer wieder die Worte, die Beratung verläuft holprig.
Andere KlientInnen sprechen flüssig und es entsteht der Eindruck, dass sie die Sprache gut beherrschen, doch oft ist auch hier der Wortschatz eingeschränkt. Vielen dieser KlientInnen fällt es schwer, ihre Gedanken und Gefühle auf Englisch adäquat auszudrücken. Eine Klientin sagte mal zu mir, sie fühle sich „sprachlich amputiert“, und das, obwohl sie fließend sprach.
Für die Beratung ist dies eine Herausforderung. Doch es gibt gute Nachrichten: Sie können einiges tun, um Ihre KlientInnen zu unterstützen, den Beratungsprozess für sich effektiv zu nutzen – trotz der sprachlichen Hürden.
Hier sind meine Tipps:
- Sprechen Sie langsam und deutlich. Eigentlich einleuchtend, doch leicht zu vergessen, besonders wenn Sie sich als BeraterIn im Flow befinden und voll auf die Sache konzentriert sind. Prüfen Sie hin und wieder Ihr Sprechtempo, um Überforderung zu vermeiden und das Verständnis zu erleichtern.
- Arbeiten Sie an Ihrer Aussprache. Oft sprechen wir Wörter im Englischen verkehrt aus. Ist ja auch manchmal schwierig, denn die Aussprache lässt sich nicht immer von der Schreibweise des Wortes ableiten. Ein Beispiel ist die Buchstabenverbindung „ough“, wie in rough – tough – though – through – trough – thought – 6 Wörter und 5 verschiedene Ausspracheweisen. Kennen Sie alle?
Mit der richtigen Aussprache vermeiden Sie Missverständnisse und tragen zu einer klaren Kommunikation bei. - Stellen Sie Fragen, um sicherzugehen, dass die Klientin Sie richtig verstanden hat, z. B. „Does that make sense (to you)?“ Stellen Sie umgekehrt auch Fragen, um sicherzugehen, dass Sie die Klientin gut verstehen:
„Did I get this right?“
„Do you mean …?“ - Wenn ein Klient Schwierigkeiten hat, Gefühle auszudrücken, kann es helfen, Angebote zu machen:
„I wonder how you feel. Do you feel perhaps angry/ disappointed/ stressed?“ oder
„I imagine you’re feeling sad or low. Is that how you feel?“
Damit ermutigen Sie den Klienten zu prüfen, was für ihn zutrifft oder weiter nach Worten zu suchen. - Wenden Sie das KISS-Prinzip an. Sie kennen es vielleicht: Keep it short and simple. Verwenden Sie einfache Hauptsätze und Worte, die von Nichtmuttersprachlern oft verstanden werden. Sagen Sie ...
„angry“ statt „exasperated“
„surprised“ statt „astonished“
„sad“ statt „miserable“
„happy“ statt „delighted“
Die zweiten Wörter in der Aufzählung sind für englische Muttersprachler leicht verständlich, für Nichtmuttersprachler gehören sie zum erweiterten Wortschatz. - Nutzen Sie einfache Umschreibungen, um sich verständlich zu machen. Statt zu sagen, dass sich jemand hin- und hergerissen („torn“) fühlt, beschreiben Sie das Gefühl, um es greifbar zu machen. Zum Beispiel so:
„You simply don’t know what to do.” oder
„You don’t know where to go from here. You simply can’t decide.” - Versuchen Sie nicht, deutsche Wortzusammensetzungen ins Englische zu übertragen. Beispiele sind der Gleichstellungsbeauftragte oder die Mitwirkungspflicht. Warum? Der Gleichstellungsbeauftragte heißt anders in England, den USA und Australien. In vielen Ländern gibt es das Konzept auch nicht. Nutzen Sie Umschreibungen, um das Wesentliche verständlich zu machen, z. B.
„the person responsible for equality issues" (Englisch für Fortgeschrittene)
„the person who works to make sure that everyone is treated fairly" (einfaches Englisch) - Geben Sie Ihren KlientInnen genug Raum, um Worte zu finden. Die Versuchung ist manchmal da zu unterbrechen und zu erraten, was der Klient sagen will. Das ist auch nicht grundsätzlich falsch und der Klient könnte dies als unterstützend empfinden. Doch es ist eine Gratwanderung. Zu viele Unterbrechungen können den Eindruck erwecken, dass Sie ungeduldig sind. Der Klient fühlt sich möglicherweise unter Druck gesetzt und das kann zu Sprechblockaden führen. Geben Sie genug Raum und lassen Sie Denkpausen zu.
- Verwenden Sie Bilder und Mindmaps, um komplexe Inhalte zu veranschaulichen. Dies funktioniert bei Prozessen ganz gut, zum Beispiel, wenn es um Behördengänge, Gerichtsverfahren, medizinische und andere Hilfen geht. Auch Checklisten mit Piktogrammen können hilfreich sein.
- Seien Sie transparent. Gehen Sie offen damit um, dass Englisch auch für Sie eine Fremdsprache ist, dass Sie ab und an Fehler machen und manchmal nach Worten suchen. Damit zeigen Sie sich als Mensch und schaffen eine Verbindung zu Ihrem Klienten.
Sie sehen, Sie können einiges tun, um die Verständigung zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass der Klient die Beratung für sich nutzen kann.
Haben Sie andere Tipps? Teilen Sie Ihre Erfahrungen und schreiben Sie mir! Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen!
Nadine Seiler, Mai 2023
Nadine Seiler
Ich bin Sprachtrainerin für die psychosoziale Beratung auf Englisch sowie Herausgeberin und Autorin von Sprachführern zur professionellen Beratung auf Englisch, u.a. "Helfende Gespräche auf Englisch. Der umfassende Sprachführer für psychosoziale und pädagogische Arbeitsfelder".